Fassen wir zuvor nochmals zusammen und präzisieren: Regeln drücken sprachlich Handlungsanweisungen unter Bedingungen der Zwecksetzung aus: Wenn B gewollt wird, tue A (um B zu erreichen). Ihre Äußerung stellt ein Sprechakt dar (Anweisung, Befehl). Eine Handlung A (als Elementarakt) kann, wenn sie durchgeführt wird, zumindest eine Eigenschaft eines Gegenstandes aus dem Gegenstandbereich verändern oder einen Zustand, der mit einer Proposition (d. h. einem einfachen Aussagesatz) beschrieben werden kann, verwirklichen. Dabei soll eine Prämisse gelten: Alle Handlungen sind aus Elementarakten zusammensetzbar.
Eine technische Handlung ist eine Handlung, die ein Artefakt herstellt oder bewirkt, dass in einem bestimmten Zusammenhang ein Artefakt hergestellt wird, oder die an einem Artefakt oder mittels eines Artefakts eine Wirkung erzielt oder dies bewirkt. Artefakte können dabei materiell oder immateriell sein (z. B. Algorithmen oder Verfahren oder eine festgelegte Reihenfolge von Arbeitsschritten bei Dienstleistungen). Das bedeutet, dass das Äußern von Regeln, Anweisungen etc., wenn sie sich auf Artefakte beziehen, ebenfalls technische Handlungen darstellen können und in der Tat dazu beitragen, dass Artefakte entstehen oder verändert werden.
6 Gelingende und nicht gelingende Sprache in der Technik
Nun machen wir die Erfahrung, dass das, was wir als Sprechakte in der Technik kennengelernt haben, vielmals nicht gelingt. Die Bauanleitung wird nicht verstanden, die Bedienungsanleitungen sind ein Hohn, die Benutzerführung am Fahrkartenautomaten eine Irreführung nach der anderen. Nun haben Searle und andere Forscher nach ihm Bedingungen für das Gelingen eines Sprechaktes herausgefunden. Diese sind unter anderem:
Minimalreferenz: Da die Illokution vom Inhalt des Gesagten unabhängig sein kann, setzt die Illokution der Aufforderung eine klare Erkennbarkeit der Referenz (auch wenn sie grammatikalisch falsch ist) als Bedingungen voraus. Auf der Zeichnung muss erkannt werden, was gemeint ist (Gegenstand: z. B. Schraube und nicht Nagel). Das Zeigen der Zeichnung kann ebenfalls ein Sprechakt darstellen – denn die Zeichnung ist die Sprache des Ingenieurs.
Wir müssen daher den Sprechaktbegriff erweitern auf den Akt der mündlichen, schriftlichen, zeichnerischen, visuellen dargestellten Äußerung und die damit verbundenen Zeichen (ikonographische Semantik), die klaren Aufforderungscharakter haben. Das kann man zeichnerisch, durch geführte Menüs, durch Sprache oder durch Animation tun. Die Sprache des Technikers ist also nicht nur die verbale Sprache, sondern ein ganzes Spektrum von Mitteilungsmöglichkeiten, von der Zeichnung bis hin zum Zeigen.
Eine weitere Bedingung gehört dazu: Neben der Minimalreferenz muss es ein eindeutiges bedeutungstragendes illokutionsvermittelndes Zeichenrepertoire geben, das dem Sprecher wie dem Empfänger gemeinsam ist.
So kann ein Pfeil in einer Zeichnung darauf verweisen, dass man das Wort zu einem bestimmten Gebilde zuordnen soll, er kann aber auch bedeuten, dass man eine bestimmte Richtung auszuwählen hat bei Bewegungen oder Anbringen von Objekten, er kann aber auch eine Orientierungsrichtung bedeuten, er kann auch eine Wirkung andeuten – die Semantik der technischen Ikonographie ist alles andere als eindeutig und muss deshalb vor Gebrauch festgelegt werden. Das ist die Funktion der Legende bei einer Zeichnung.
Nun könnte man mit Fug und Recht fragen, ob man im visuellen Bereich nicht den Bereich der Sprache verlasse. Denn sowohl Semantik wie Grammatik einer visuellen Darstellung technischer Inhalte oder auch Aufforderungen sind außer einigen formalen Bedingungen wie Geometrie und Logik noch nicht hinreichend erforscht. Bei einer elektronischen Schaltung, die ein Fachmann »lesen« kann wie ein Musiker eine Partitur, handelt es sich ja ebenfalls um eine Äußerung des Autors dieser Schaltung, allerdings hat der Text ein anderes Zeichenrepertoire. Ein solcher Text ist schlecht verbalisierbar (man erkläre eine Schaltung seinem Partner am Telefon), er hat aber durchaus eine Referenz (Objekte und ihre Eigenschaften, und wie sie miteinander verknüpft sind) und damit auch eine Syntax und Semantik.