5 Was man in der Technik und über Technik sagen kann
Nachdem wir grob Sprechakte kennengelernt haben und deren wichtigste Funktionen, die Illokutionen, können wir uns überlegen, in welchem sprachlichen Gewand die Technik neben der Zeichnung daherkommt. Das sind Sätze wie:
Wenn man demagnetisiertes Eisen haben will und wenn man weiß, dass sich magnetisiertes Eisen unter Erhitzung über den Curie-Punkt demagnetisiert, dann muss man das Eisen entsprechend erhitzen.
Wenn durch Lüftung Keller ihren Schimmel reduzieren und im Keller des Gebäudes der Schimmel weg soll, muss man ihn belüften.
Hier kommt man von einem vorgegebenen Ziel und einem gegebenen allgemeinen Zusammenhang auf eine Handlungsanweisung. Dies wollen wir eine technische Regel nennen, deren Begründung in diesem Fall ein naturwissenschaftliches Gesetz darstellt.
Regeln drücken also Handlungsanweisungen unter Bedingungen der Zwecksetzung aus: Wenn B gewollt wird, tue A (um B zu erreichen). Ihre Äußerung stellt einen Sprechakt dar mit der Illokution der Anweisung oder gar des Befehls. Hier wird es gleich spannend: Für die Wirkung der Illokution (sprich erfolgreiche Durchführung) ist es unerheblich, ob der Sprecher die Begründung der Regel kennt ist oder nicht. Wenn man sich auf die Effektivität der Regel verlassen kann, braucht man den tieferen Zusammenhang nicht mehr zu kennen. Jeder Servicetechniker handelt so höchst erfolgreich, wenn er seine Regeln befolgt.
Kommen wir nochmals zum Beispiel des Kellers zurück. Wenn der Mieter zum Vermieter sagt: »Der Keller im Gebäude ist schimmelig«, dann hat diese Äußerung die Illokution der Aufforderung, etwas dagegen zu tun, wenn unterstellt werden kann, dass der Mieter keine schimmeligen Keller schätzt.
Wenn der Vermieter die Regel kennt Wenn durch Lüftung Keller ihren Schimmel reduzieren und im Keller des Gebäudes der Schimmel weg soll, muss man ihn belüften und der Mieter das weiß, kann unmittelbar auf eine Aufforderung geschlossen werden, den Keller bitteschön doch zu lüften.
Das fast triviale Beispiel zeigt zum einen die extreme Kontextgebundenheit der Illokution, zeigt aber auch die innere Struktur einer Anweisung (Aufforderung, Befehl):
Wenn aus A B folgt und B gewünscht wird, muss man mit A B bewirken.
Eine technologische Theorie aus verknüpften Regeln ist daher performativ, nicht rein deskriptiv – ihre Äußerungen stellen immer eine Aufforderung dar, A zu tun, sofern entsprechend Ziele wie B akzeptiert oder angestrebt werden.
Eine andere Form von Äußerungen kommt deskriptiv daher, wenn man nur die Regel alleine ohne Ziel nimmt: B per A, d.h. man kann B per A bewirken. Dann stellt sich nicht mehr die Frage nach der Wahrheit einer Äußerung, sondern nur noch nach der Effektivität der Regel: Funktioniert das, dass wenn man A tut, dass dann B eintritt?
Dies ist die Situation, in der die Äußerung der Regel ohne Zielvorstellung nicht mehr die Illokution einer Behauptung darstellt (den wir hier pragmatischen Syllogismus nennen), bei der der Wahrheitsanspruch der Aussage thematisiert würde, sondern die Illokution eines Effektivitätsanspruchs. Das Äußern der Regel stellt eine Prognose dar: Du wirst sehen, wenn Du A tust, stellt sich B ein. Ohne Begründung bleibt dem Empfänger dieser Äußerung allerdings nur, sie tatsächlich zu testen, also auszuprobieren. Das ist wohl auch die Situation, wenn der Bastler an einer Bauanleitung hängen bleibt …
Die Illokution der technischen Prognose ist eine ganz besondere Illokution, die in der Sprechakttheorie bisher noch nicht berücksichtigt worden ist. Sie ist außerordentlich voraussetzungsreich, denn sie bezieht sich auf die Wirkung technischer Handlungen.