3.1 τεχνη als Kriegslist

Die Bedeu­tung des Begriffs der τεχνη als Kriegs­list ver­weist dar­auf, dass Hand­lun­gen, die zur Durch­füh­rung von Gewalt­ak­ten, zu ihrer Vor­be­rei­tung und zur Opti­mie­rung oder Schwä­chung ihrer Fol­gen ver­wen­det wer­den, tech­ni­scher Art sind und der Zweck-Mit­tel-Rela­ti­on unter­lie­gen. Tech­nik erleich­tert und erschwert die gewähl­te Opti­on, da jede Tech­nik – wie man aus der Logik tech­ni­scher Aus­sa­gen weiß –, die funk­tio­niert, auch ver­hin­dert wer­den kann.[29]

Die Dele­ga­ti­on von Gewalt­ak­ten an Tech­nik setzt damit das Pri­mat des Stär­ke­ren außer Kraft und ver­schiebt sie auf das Pri­mat des »Lis­ti­ge­ren«: Das Recht des Stär­ke­ren wird zum Recht des Wis­sen­den, der über die Lis­ten gebietet.

Die Kriegs­list ist aber nicht nur instru­men­tell zu den­ken, son­dern auch wahr­heits­theo­re­tisch: Die List einer Hand­lung ent­zieht dem Betrof­fe­nen die Mög­lich­keit, die Inten­ti­on die­ser Hand­lung rich­tig zu inter­pre­tie­ren oder gezielt eine fal­sche Inter­pre­ta­ti­ons­wahl zu tref­fen. Dies gilt sowohl für direk­te Hand­lun­gen wie für Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zes­se. Damit hilft Tech­nik mit, Inten­tio­nen in ant­ago­nis­ti­schen Situa­tio­nen zu ver­ber­gen. Und da in jeder Situa­ti­on die Ver­hin­de­rung ange­legt ist, gibt es auch immer wie­der die erfolg­rei­chen Ver­su­che, die­ses Ver­ber­gen auf­zu­he­ben, die List zu durch­schau­en und sie durch eine Gegen­stra­te­gie zu durchkreuzen.

Kommt Tech­nik »mit ins Spiel«, kann sie die Spiel­cha­rak­te­ris­tik und damit die Ladung der Gewinn­ma­trix ver­än­dern und genau dazu wird sie auch benutzt.

Das Täu­schen des Geg­ners über das Spek­trum der eige­nen Optio­nen (z. B. Glau­ben machen, man hät­te wel­che, oder ver­ber­gen, wel­che Optio­nen man hat) wird durch ver­füg­ba­re Tech­nik erleich­tert. Tech­nik erwei­tert und opti­miert bekannt­lich Optio­nen, des­halb muss Tech­nik im Krieg geheim gehal­ten oder vor­ge­gau­kelt wer­den. Der Geg­ner nimmt – Erfolgs­fall der Täu­schung – die Berech­nun­gen sei­ner Gewinn­funk­ti­on dann noch auf­grund der alten bekann­ten Opti­on vor. Die Absicht ist klar: Der Geg­ner soll sich ver­rech­nen, und damit eine Opti­on wäh­len, die nach­tei­lig für ihn ist.

Ein wei­te­res wäre das Täu­schen des Geg­ners über die Defi­ni­ti­on der Gewinn­funk­ti­on, was der Täu­schung über die Kriegs­zie­le ent­spricht. Damit sol­len dem Geg­ner die Mög­lich­kei­ten genom­men wer­den, eine rea­lis­ti­sche Abschät­zung der eige­nen Gewinn­funk­ti­on durch­zu­füh­ren. Gelingt dies, dann wer­den zwei nicht iden­ti­sche Spie­le gespielt – die Fra­ge »Was wird hier eigent­lich gespielt« ist dann nur all­zu berechtigt.

All dies steh aber noch unter der Vor­aus­set­zung, dass vom Geg­ner ange­nom­men wird, dass er – in sei­nem Kon­text – die Bestim­mung sei­ner Gewinn­funk­ti­on einer ratio­na­ler Berech­nung unter­wirft. Dies ist beim Ter­ro­ris­mus viel­fach nicht mehr der Fall.

3.2 Tech­nik als Wahrheit

Dies scheint im merk­wür­di­gen Gegen­satz zu Heid­eg­gers Wahr­heits­auf­fas­sung zu ste­hen, wonach das Wesen der Tech­nik die Unver­bor­gen­heit, die ἀλή­Jeia dar­stel­le.[30] Das Werk­zeug hat einen instru­men­tel­len Cha­rak­ter, und durch den dadurch mög­li­chen tech­ni­schen Umgang mit der Natur gelingt es, der Natur etwas zu ent­rei­ßen. Dadurch wird das Ent­bor­ge­ne, das der Natur ent­ris­sen wur­de, zu einem Instru­ment, das zu einer bestimm­ten Pro­blem­lö­sung benutzt wer­den kann. Dies kann der­je­ni­ge, der die Natur so stellt, erken­nen. Damit wird aber auch das, was ist, näm­lich die Natur, inso­fern ihr in der Tech­nik so erschlie­ßend begeg­net wird, zu einer Quel­le der Erkennt­nis dar­über, was in der Natur mög­lich ist.[31]

Hat Tech­nik also etwas Krie­ge­ri­sches, weil sie den Kampf gegen die Natur als Urbild nimmt für den mög­li­chen Kampf gegen die Men­schen? Hat dann der Krieg immer etwas Technisches?

Der Mensch kann nach Heid­eg­ger gar nicht anders als tech­nisch han­deln, es gehört zu sei­nem Wesen – das Wesen des Gestells als Wesen der Tech­nik bringt zum Aus­druck, dass es eine unauf­heb­ba­re Ambi­va­lenz von Ver­füg­bar­keit und Unver­füg­bar­keit gibt. Und so ist der Mensch in Gefahr »nur das im Bestel­len Ent­bor­ge­ne zu ver­fol­gen und zu betrei­ben von daher alle Maße zu neh­men«[32].

Wenn das Gestell bei Heid­eg­ger die Wahr­heit ist, also die Ent­ber­gung des Gestells das Unheim­li­che ist, im Sin­ne von nicht mehr heim­lich zu sein, ist dann die Ver­hül­lung die eigent­li­che Per­ver­si­on? Ist der Krieg wegen des unver­meid­lich tech­ni­schen Han­delns des Men­schen dann auch unvermeidlich?

Man könn­te dies so inter­pre­tie­ren, dass die Tech­nik gera­de im Krieg klar macht, was die ande­re Sei­te möch­te: Die Para­den, die Auf­mär­sche, also all das, was die Auf­rüs­tung geleis­tet hat. Man zeigt sei­ne Waf­fen. Aber das ist nur eine Sei­te der Tech­nik – denn es gibt noch eine gewis­se Unver­füg­bar­keit, die sich in der tech­ni­schen Unmög­lich­keit und in tech­ni­schen Feh­lern äußert. Waf­fen kön­nen ver­sa­gen, Tech­nik kann schei­tern. Über ihre Imper­fek­ti­on aber schweigt die Insze­nie­rung der gegen­sei­ti­gen Dro­hun­gen. Und damit kann mit dem Zei­gen der Tech­nik nicht nur die Wahr­heit gesagt wer­den, son­dern eben auch der Betrug von­stat­ten gehen.


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